Outsourcing von IT-Dienstleistungen – Quo Vadis?
Outsourcing von IT-Dienstleistungen – Quo Vadis?

Ein Diskussionsbeitrag von Robin Porsch

Das Auslagern von Geschäftsprozessen scheint eine natürliche Konsequenz der fortschreitenden Globalisierung zu sein. Schon heute lagert mehr als ein Drittel der deutschen Unternehmen Produktions- und Logistikabläufe aus, wobei Abläufe aus dem Bereich IT mit 42% den größten Anteil ausmachen.[1] IT-Outsourcing bedeutet hierbei, Dienstleistungen nicht durch unternehmensinterne Mitarbeiter (Inhouse) erledigen zu lassen, sondern Service- und IT-Dienstleistungen von einem externen Dienstleister zu beziehen; eine gängige und bekannte Praxis in der Welt der IT.[2]

Von klassischen Serviceleistungen bis hin zum komplexen Software Development Outsourcing scheinen den Möglichkeiten im Bereich IT-Outsourcing keine Grenzen gesetzt zu sein, weshalb Unternehmen verstärkt auf diese Option zurückgreifen, was ein kontinuierliches Wachstum des Marktvolumens zur Folge hat. Dieser Trend ist besonders in der so genannten westlichen Welt (Europa, USA, Australien) festzustellen, von wo aus IT-Dienstleistungen nach Ost-Europa, Asien und auch zunehmend in den Nahen Osten ausgelagert werden.[3] Bei der Entscheidungsfindung, ob und wohin IT-Dienstleistungen auslagert werden sollen gilt es, zahlreiche Faktoren zu beachten. Denn ebenso zahlreiche Projekte scheitern oder übersteigen – retrospektiv – die geplanten Kosten um ein Vielfaches. Daher ist eine vorbereitende genaue Betrachtung des Marktes und seiner Variablen zwingend erforderlich. Hierbei wird grundsätzlich zwischen drei Arten des Outsourcings differenziert:

Offshore-Outsourcing: die bezogenen Dienstleistungen werden, aus europäischer Sicht, außerhalb Europas erbracht. Strategische Vorteile hierbei können z.B. die Senkung der Ausgaben aufgrund geringerer Entwicklungs-, Lohn-, und Lebenshaltungskosten, ein durchgehender Arbeitsfluss, dank Zeitunterschieden zwischen den Inhouse- und Offshore-Teams und der Zugang zu einem globalen Pool von Talenten sein. Um diese Potentiale zu heben, sollten einige Besonderheiten beachtet werden. Um Schwierigkeiten durch Arbeit in unterschiedlichen Zeitzonen vorzubeugen sollte z.B. der Kommunikationslogistik besondere Aufmerksamkeit zukommen. Auch unterschiedliche Arbeitsweisen, aufgrund anderer kultureller Normen und Einstellungen können mit den eingespielten Unternehmensprozessen in Konflikt kommen und verlangen Anpassungen auf beiden Seiten. Um Verschwendung von Ressourcen zu vermeiden, sollte darauf geachtet werden, dass mit dem Partner mindestens eine Sprache geteilt wird und die Geschäftsbeziehung schon zu Beginn optimal implementiert wird. Andernfalls können regelmäßige Besuche notwendig werden, und damit teure und umständliche Geschäftsreisen anfallen.[4]

Nearshore-Outsourcing: beschreibt das Beziehen von Leistungen innerhalb Europas (geographisch). Da nur eine geringe oder gar keine Zeitverschiebung herrscht, müssen weder die Organisation noch der Nearshore-Partner Überstunden leisten oder in der Nacht arbeiten, um in Kontakt zu bleiben, was von Vorteil für den Workflow sein kann. Kosten für anfallende Geschäftsreisen können im Vergleich zu Offshore-Partnern gesenkt werden und ein häufig ähnlicher kultureller Hintergrund beseitigt die Notwendigkeit Arbeitsweisen zu ändern. Dennoch können auch hier u.U. Lohnkosten etc. gespart werden und auf einen, im Vergleich zum Onshore-Outsourcing, größeren Pool von Anbietern zugegriffen werden. Kosten können hier allerdings auch ähnlich hoch sein wie im Inland. Im Vergleich zum Offshore-Markt kann hier nur auf eine deutlich reduzierte Anzahl an Anbietern zugegriffen werden. Eine genaue Betrachtung der infrage kommenden Partner ist dadurch unabdinglich.[5]

Onshore-Outsourcing: beschreibt das Outsourcen im selben Land, in dem die Organisation ansässig ist. Es können auch hier, bei zielgerichteter Implementierung, strategische Vorteile wie eine Optimierung der Kostenstruktur, eine Flexibilisierung der Betriebsstrukturen und effizientere interne Prozesse gehoben werden, ohne dabei eine Verschlechterung der Servicequalität eingehen zu müssen. Durch die lokale Nähe im Inland ist ein reibungsloser Kommunikationsaustausch gewährleistet und eventuelle Reibungsverluste sind auf ein Minimum reduziert. Gerade im Bereich des Finanz- und Rechnungswesens ist ein gemeinsames Rechtsverständnis unabdingbar.[6]

Abbildung 1: Types of Outsourcing https://www.interventure.info/blog/offshoring-nearshoring-onshoring-und-outsourcing-merkmale-und-unterschiede/

All diese Arten des Outsourcings beinhalten, neben den vermeintlichen Chancen zur Effizienzsteigerung, auch Risiken. Eine unzureichende Kontrolle über das Management und wenig Einsicht in die Geschäftsprozesse des Partners, können zu einem erhöhten Zeitaufwand und damit zu erhöhten Kosten führen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass sensible Daten und Betriebsgeheimnisse kompromittiert werden können, ist ein grundsätzlicher Faktor bei der Entscheidung für ein Outsourcing-Projekt. Qualitätsmängel und die damit steigenden Kosten für Nacharbeiten, die aufgrund mangelhafter und aufwändiger Kommunikation entstehen können, sind zudem ein reales Risiko.[7]

Trotz dieser Risiken, werden IT-Outsourcer zunehmend, nicht nur zur Ausführung eingesetzt, sondern auch vermehrt als strategischer Partner in Geschäftsziele und Innovationsprojekte eingebunden.[8] Die Markteinnahmen für IT-Outsourcing-Dienstleistungen in Europa von 2016 bis 2021 wuchsen kongruent dazu von 93,12 auf 103,9 Mrd. US-Dollar.

Abbildung 2: Markteinnahmen für IT-Outsourcing-Dienstleistungen in Europa von 2016 bis 2021 (in Milliarden US-Dollar) (https://www.statista.com/forecasts/963931/it-outsourcing-services-revenue-in-europe)

Die in der Deloitte’s Global Outsourcing Survey 2021 am häufigsten genannten Gründe für das Auslagern von IT-Diensten, sind die Einsparung von Kosten (59%), das geplante Fokussieren auf den Hauptgeschäftsbereich (57%) und das Lösen von Kapazitätsproblemen (47%). Hierbei ist die Entwicklung von Applikationen (64%), die Instandhaltung von Applikationen (51%) und das Auslagern von Rechenzentren (40%) die weltweit am häufigsten ausgelagerten IT-Funktionen.

Abbildung 3: Die weltweit am meisten ausgelagerten IT-Funktionen (https://www.statista.com/statistics/662991/worldwide-cio-survey-outsourced-it-functions/)

Also: Wo gehst du hin? Quo Vadis? Wie von den Vorteilen eines Outsourcings profitieren und gleichzeitig die auftretenden Risiken minimieren? Nearshore? Offshore? Onshore? Oder vielleicht doch die Herausforderungen Inhouse lösen?

Die Antwort ist Rightshoring! Jedes potenzielle Outsourcing-Projekt muss individuell und multidimensional betrachtet werden, um die richtige Strategie für die optimale Umsetzung des geplanten Projektes zu finden. Um eine Entscheidungsfindung herbeizuführen, ob ein Outsourcing überhaupt in Frage kommt, oder ob eine Inhouse-Bearbeitung ggf. die bessere Alternative ist, sollten einige Fragestellungen zwingend berücksichtigt werden:

  • Was ist mein Kerngeschäft?

Prozesse des Kerngeschäfts sollten nicht ausgelagert werden

  • Welche Aufgaben ändern sich so gut wie nie – und müssen oft wiederholt werden?

Aufgaben, die nicht zum Kerngeschäft gehören, die wiederkehren und sich nicht oder kaum ändern, lassen sich meist gut outsourcen. Je gängiger eine Aufgabe ist, desto leichter lässt sich diese einem Partner vermitteln. Das reduziert Kosten und schützt vor Frust.

  • Gibt es Prozesse die professioneller bearbeitet werden könnten?

Bei externen Partnern können Sie eine Fehlerquote vertraglich fixieren

  • Wie viel Aufwand würde es bedeuten, den Outsourcing-Partner einzuweisen und zu betreuen?

Durch IT-Outsourcing könne intern Kosten entstehen, die im Schnitt bei drei bis zehn Prozent der direkten Dienstleisterkosten liegen

  • Was würde eine Auslagerung konkret bringen – und was eine interne Lösung?

Nicht ausschließlich im Hinblick auf Kosten beurteilen, sondern ebenso auf Workflow und Unternehmensentwicklung und -strategie?[9]

Gibt die Beantwortung dieser Fragen schlussendlich eine Antwort darauf, ob ein Auslagern generell in Frage kommt, können die folgenden Fragestellungen eine Orientierungshilfe für die Wahl der richtigen Outsourcing Strategie bieten.

  • Quality Leadership
    • Sollen hochqualitative Dienstleistungen erbracht werden?
    • Ist nur wenig Zeit verfügbar, um nach passenden Entwicklern zu suchen?
    • Ist ausreichend Budget verfügbar?

Wenn ja, dann ist Nearshore-Outsourcing die bessere Wahl!

  • Price Leadership
    • Ist ein größeres Team nötig?
    • Ist ausreichend Zeit verfügbar, um nach passenden Entwicklern zu suchen?
    • Ist ein hohes Budget verfügbar?

Wenn ja, dann ist Offshore-Outsourcing die bessere Wahl!

  • Innovation Leadership
    • Ist ein sehr zeitnaher Start nötig?
    • Sind die zu outsourcenden Aufgaben hoch komplex?
    • Geht es weniger um Kostenreduktion, sondern eher um Qualitätsverbesserung?
    • Sind die zu outsourcenden Aufgaben strategischer oder kreativer Natur?

Wenn ja, dann ist Onshore-Outsourcing die bessere Wahl!

In Anbetracht der zunehmend geopolitischen Spannungen ist es unerlässlich, dass Unternehmen, die IT-Dienstleistungen outsourcen, ihre Risikobewertungen und Geschäftsstrategien regelmäßig überprüfen. Die Abhängigkeit von bestimmten Regionen oder Anbietern kann in Zeiten politischer Unruhen oder Handelskonflikten erhebliche Probleme verursachen. Unternehmen sollten daher Alternativlösungen in Betracht ziehen, wie beispielsweise die Diversifizierung ihrer Lieferantenbasis oder die Schaffung von flexiblen Notfallplänen, um sich gegen mögliche Störungen zu wappnen. Die Fähigkeit, agil auf sich ändernde geopolitische Bedingungen zu reagieren, wird in einer globalisierten Wirtschaft zunehmend zum Wettbewerbsvorteil und zur Absicherung gegen potenzielle Risiken.

Bei wohlüberlegter und sorgfältig umgesetzter Implementierung und Abwägung aller möglichen Risiken, kann das Outsourcing von IT-Dienstleistungen jedoch einen ökonomischen Vorteil darstellen, der sich nach wie vor positiv auf das Geschäftsergebnis auswirken kann.

[1] Ringel, Anja; Outsourcing: Wer es nutzt und für wen es sich lohnt, https://www.produktion.de/wirtschaft/outsourcing-wer-es-nutzt-und-fuer-wen-es-sich-lohnt-119.html
[2] o.A.: Was bedeutet IT-Outsourcing, -Nearshoring, -Offshoring | Definitionen einfach erklärt, https://manager-it.com/it-offshoring/definition-outsourcing-offshoring/
[3] Khalimonchuk, Kateryna:  Offshore Software Development Rates by Country: Detailed Guide, https://fulcrum.rocks/blog/software-offshore-development-rates/
[4] o.A.: Was ist Offshoring und was bedeutet Nearshore Outsourcing?, https://www.daxx.com/de/blog/offshore-team/unterschied-zwischen-outsourcing-und-offshoring#:~:text=%20Offshore%20Outsourcing%3A%20Vor-%20und%20Nachteile%20%201,kann%20kompliziert%20mit%20der%20Kommunikationslogistik%20werden…%20More%20
[5] o.A.: Outsourcing vs. Offshoring vs. Nearshoring, https://www.brightsolutions.de/blog/offshoring-vs-nearshoring-outsourcing/
[6] o.A.: Onshore-Outsourcing, https://www.sitel.com/de/glossary/onshore-outsourcing/
[7]   o.A.: Was ist Offshoring und was bedeutet Nearshore Outsourcing?, https://www.daxx.com/de/blog/offshore-team/unterschied-zwischen-outsourcing-und-offshoring#:~:text=%20Offshore%20Outsourcing%3A%20Vor-%20und%20Nachteile%20%201,kann%20kompliziert%20mit%20der%20Kommunikationslogistik%20werden…%20More%20
[8] Adam, John: Der Nearshore-Outsourcing-Markt im Jahr 2020 – Statistiken, Fakten & Zahlen, https://kruschecompany.com/de/nearshore-outsourcing-erklaert/#Markteinnahmen_fuer_IT-Outsourcing-Dienstleistungen_in_Europa_von_2016_bis_2021_in_Milliarden_US
[9] Halfwassen, Kathrin: Aufgaben auslagern – ja oder nein? So treffen Sie die richtige Entscheidung, https://www.impulse.de/management/unternehmensfuehrung/outsourcing/7310874.html
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