BPMN und die Digitalisierung
BPMN und die Digitalisierung

Oder: wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!

Von Robin Porsch

Die Digitalisierung ist in aller Munde. Die Vorteile, die das Digitalisieren von operativen Geschäftsprozesse mit sich bringt, sind zahlreich und dennoch herrscht besonders im deutschen Mittelstand in zahlreichen Unternehmen in puncto Digitalisierung eine gewisse Unsicherheit die dazu führt, dass Investitionen in Innovationen in diesen Bereichen ausbleiben und Potentiale zur Kostenreduktion durch optimierte Prozesse nicht gehoben werden, was während der Corona-Krise vielerorts deutlich sichtbar wurde und zu einem schnellen Nachholen wichtiger Digitalisierungsmaßnahmen geführt hat.[1] Da es sich hier jedoch häufig um ein schnelles Intervenieren handelte, bleibt die Frage nach der Nachhaltig dieser Maßnahmen zunächst offen. Ein Risiko, besonders im internationalen Wettbewerb.

„Wenn Sie einen scheiß Prozess digitalisieren, haben Sie einen scheiß digitalen Prozess.“

– Thorsten Dirks (Mitglied des Vorstands der Deutschen Lufthansa AG und seit dem 8. April 2020 Verantwortlicher des Vorstandsressort „Digital und Finanzwesen“)[2]

Wesentlich bei der Frage, wie die Digitalisierung im Unternehmen oder der Abteilung umzusetzen ist, ist die Feststellung, dass es sich bei allen Maßnahmen in diesem Bereich immer um eine Prozessoptimierung handeln sollte. Ein veralteter Prozess wird mit Hilfe digitaler Tools verschlankt, spart somit Ressourcen und Kapazitäten und sollte sich damit in absehbarer Zeit amortisieren. Dem vorausgehend ist also die Beschäftigung mit der Prozesslandkarte des Unternehmens unabdingbar. Und genau da fangen für zahlreiche Unternehmen die Herausforderungen schon an, da sich die „prozessuale Knowledge-Base“ häufig zu einem großen Teil gut verpackt hinter der Stirn der Mitarbeiter befindet.

Das verhindert häufig nicht nur eine plangesteuerte Optimierung und Anpassung der Prozesse, sondern steht einer zielgerichteten Digitalisierung direkt im Weg. Einen schlechten Prozess macht auch die beste Digitalisierung nicht besser.

Demzufolge fängt die Digitalisierung mit der Kenntnis und der Dokumentation der eigenen Prozesse an. BPMN (Business Process Model and Notation) kann hierbei eine geeignete Methode darstellen, um die Geschäftsprozesse in einer allgemein verständlichen und genormten Form zu dokumentieren und damit das prozessuale Wissen der Mitarbeiter für alle Stakeholder zugänglich zu machen.

Ähnlich wie bei einer Programmiersprache können hierbei durch eine genormte Notationsweise auch komplexe Prozesse übersichtlich dargestellt und auf Schwachstellen geprüft werden.

Ein einfaches BPMN Modell

Häufig können schon so zahlreiche Schwachstellen in der Prozesslandschaft aufgedeckt und damit ein Fundament für eine erfolgreiche Digitalisierung gelegt werden.

Die Möglichkeiten der BPMN gehen aber noch weiter. Aktuelle Tools, die oftmals unter dem Namen „BPMN 2.0“ auftreten, bieten über die reine Modellierung hinaus auch Möglichkeiten laufende Prozesse digital zu simulieren und/oder direkte Schnittstellen zu den im Unternehmen genutzten Systemen einzurichten. Aus dem Prozessmodellierungstool wird so eine Anwendung zur Prozessteuerung, die z.B. Störfälle und KPI´s in Echtzeit anzeigt und somit ein direktes und zielgerichtetes Eingreifen ermöglicht. Obwohl diese Möglichkeiten schon 2011 von der OMG (Object Management Group) vorgestellt[4] und zur Marktreife gebracht wurden, kommen sie in der Praxis, besonders in der von der IT entfernten Branchen und Fachbereichen, nur selten zum Einsatz. Doch gerade eine frühzeitige Prozessdokumentation und – steuerung lohnt sich. Mit dem Wachstum eines Unternehmens steigt auch die Zahl der notwendigen Geschäftsprozesse und macht eine nachträgliche Dokumentation weitaus schwieriger und zeitaufwendiger.

„Wer sich nicht digitalisiert, wird ausgeknockt.“

– Wladimir Klitschko (deutsch-ukrainischer Boxweltmeister)[3]

Hieraus ergeben sich die folgenden Schritte zur zielgerichteten Digitalisierung von Geschäftsprozessen:

  1. Prozessdokumentation/ Prozessmodellierung
  2. Prozessanalyse
  3. Prozessoptimierung
  4. Prozessdigitalisierung
  5. Prozesskontrolle

Gerade im Hinblick auf eine immer internationalere Marktsituation und neue Konkurrenten aus der ganzen Welt entwickelt sich das Management von Geschäftsprozessen zu einem Must-Have und damit auch die Dokumentation von Geschäftsprozessen an sich. BPMN eignet sich, um eine solide Grundlage für die Digitalisierung zu schaffen, die eine langfristige Konkurrenzfähigkeit gewährleistet. Ein weiterer Pluspunkt in Sachen Prozessmodellierung ergibt sich für das Qualitätsmanagement und die Risikosteuerung in Managementsystemen. Als Referenz sei hier die Telekommunikation angesprochen, die, aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von Netzen, IT-Systemen und Daten, Prozessmodellierung nach BPMN schon viele Jahre anwendet. Ein Investieren in das dafür notwendige Know-How und die entsprechenden Tools ist nicht nur sinnvoll, sondern auf lange Sicht für heimische Unternehmen notwendig, um dem wachsenden Marktdruck gerecht zu werden.

[1] Vgl. Digitalisierungsindex Gesamtbericht 2021, https://www.digitalisierungsindex.de/studie/gesamtbericht-2021/
[2] Zitat von Thorsten Dirks, CEO Telefónica Deutschland; anlässlich des SZ-Wirtschaftsgipfels vom 19. November 2015 im Hotel Adlon in Berlin.
[3] Zitat aus einem Interview mit Wirtschafts-TV
[4] Business Process Model And Notation Version 2.0. https://www.omg.org/spec/BPMN/2.0/About-BPMN/
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